Jaguar XK

Die Seele von Jaguar war William Lyons, ein begeisterter Fahrzeugentwickler, der mit Beiwagen angefangen hatte und schon vor dem Krieg erfolgreich in den Bau von Sportwagen eingestiegen war.
Seine Begabungen für Formensprache, Linienführung und ausgewogene Proportionen machten all seine Modelle zu „Hinguckern“, wobei der XK wohl seine beste Arbeit darstellt. 1956 wurde er für seine herausragenden Leistungen in den Adelsstand erhoben.

Die technischen Daten und die Fahreigenschaften des XK stellte die gesamte Konkurrenz wie etwa Aston Martin oder Ferrari jahrelang in den Schatten. Das Auto war 1951 bis 1953 der schnellste Serienwagen und erzielte mehrere Weltrekorde, beispielsweise 1952 eine Dauerleistung von 27.000 km in 7 Tagen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 165 km/h. Seine herausragende „Performance“ machte es legendär und für uns zum Wunschtraum.

Am 15. Februar 1987 war es dann soweit. Unser „Wunschtraum“ hatte Gestalt angenommen, allerdings nicht so, wie wir es gerne gehabt hätten. Ein Haufen „Gartenschrott“ wurde aufwändig von München nach Münster transportiert.

Doch schnell ging es mit frischen Kräften ans Werk. Der Schrott wurde skelettiert und es begann eine Automontage „von der Pike auf“:

Die Wiedergeburt eines Automobils

Bei den früheren Autos fing alles mit dem Fahrgestell (Chasis) an. Das ist wie bei Pferdefuhrwerken der Rahmen, an dem die Achsen befestigt sind und der die Passagiere nebst Last trägt.
Unser Chasis wurde zunächst feuerverzinkt und steht hier hochkant an einem Apfelbaum zu Ehren der Skulpturen-Ausstellung, die 1987 in Münster zeitgleich stattfand.

Bevor der Wagen wieder rollen kann, bedarf es allerdings einer Menge Kleinarbeit. Um sich davon ein Bild machen zu können, sind nachstehend beispielhaft alle Einzelteile abgebildet, die zur Montage der Achsschenkel erforderlich sind, welche die Vorderräder aufnehmen:

Stoßdämpfer, Drehstabaufnahme, untere Dreieckslenker mit Anschlagdämpfer, Stabilisator (schwarz) und obere Dreieckslenker jeweils nebst Gummiteilen sowie Kleinmaterial (alles unlackiert)

Sobald der Wagen wieder rollt, ist der erste Schritt getan. Nun geht es an das Herzstück des Autos, den Motor:

Ende 1990 war der zweite Schritt getan, das Fahrgestell mit Rädern fuhr nun
aus eigener Kraft, jetzt hatten wir ein Automobil!

Die schwerste Etappe lag aber noch vor uns, der Fahrzeugaufbau:

Neuer Glanz im alten Gewand

Da die alte Karosserie unten herum komplett verrostet war, fehlten sämtlich Auflager, um den Restbestand auf dem Chasis justieren zu können. Es gab auch keine Vorlagen oder Konstruktionszeichnungen, die weiterhelfen hätten können. Also war eine Anpassung von Hand gefragt.

Zu diesem Zweck wurde die restliche Karosserie, die ursprünglich aus einem Stück bestanden hatte, in drei Teile zerlegt:

Vorbau – Kabine – Heck

Für den Boden der Kabine waren Reparaturbleche vorhanden, die im Mittelbereich des Chasis eine grobe Justierung von +/- 3 cm ermöglichten. Darauf aufbauend wurde zunächst das Heck eingepasst. Ziel war es, einen Hilfsrahmen anzufertigen, der gewährleisten sollte, dass die anzuschraubenden Kotflügel mit ihren Radausschnitten genau über den Hinterrädern montiert werden konnten.

Die groben Blecharbeiten
der Außenhaut des Hecks
sind erledigt:

Die Blechteile des Hecks werden auf dem Chasis mit Hilfe der Stoßstangenhalter und der B-Säule justiert

Um im nächsten Arbeitsgang die Kabine als selbständiges Mittelteil endgültig fixieren zu können, war es zunächst erforderlich, die Stirnwand nebst Instrumentenbrücke und A-Säulen aus dem vorderen Aufbau heraus zu schneiden, da diese Bleche konstruktiv zur Fahrgastzelle gehören:

Mittig im Bild die Instrumentenbrücke, aus deren Öffnungen die alten Kabel heraushängen; rechts unterhalb des Scheibenrahmens die Reste der dreiteiligen A-Säule in Verbund mit der Stirnwand

Anhand der verbliebenen Substanz war es möglich, die A-Säulen zu rekonstruieren und eine Schablone anzufertigen. Die danach hergestellten Neuteile bestehen nun aber nicht mehr aus dünnen Kantblechen, sondern aus Rechteckrohren:

Im Hintergrund links eine neue A-Säule, mit Zwingen fixiert, daneben die Schablone und rechts davon die alte A-Säule (unterer Teil verrostet), im Vordergrund die zweite neue A-Säule aus einem Stück vor dem Biegen

Die fertigen A-Säulen werden unter Einsatz von Reparaturblechen (rot) mit Stirnwand, Instrumentenbrücke und den Türschwellern zu einem Block verschweißt und am Chasis befestigt.

Jetzt können die Lenksäule, der Kabelbaum, die Pedalerie, das Armaturenbrett mit Uhren und Schaltern für den betriebsfertigen Zustand eingebaut werden.


Zeitgleich mit der Technik-Montage ging es nun an die Bearbeitung der Außenhaut des Vorderwagens, das „Gesicht des XK“. In diesem Bereich hatte die Karosserie besonders gelitten; es gab nicht nur Rost-, sondern auch Unfallschäden. Außerdem war die Stabilität dahin, weil die beiden riesigen Kotflügel vorne in der Mitte auseinander gebrochen waren.

Die Kotflügel werden nur durch die Justierstange gehalten, weil der Verbindungssteg unterhalb der Haubenmaske fehlt.
Der (in Fahrtrichtung gesehen) linke Kotflügel zeigt deutliche Unfallspuren.

Im Detail:

Der rechte Frontflügel war in einem besseren Zustand, was nicht überraschte, da der Wagen aus England kam. Die Straßenseite (Fahrerseite) ist bei alten Fahrzeugen meist besser in Schuß. Aber auch hier verlangten das Gehäuse der Begrenzungsleuchte sowie der Lampentopf (unten durchgerostet) viel Zuwendung.

Die Instabilität derFrontflügel war weniger eine Folge des Verfalls als vielmehr ein konstruktives Problem. Der schmale Steg am Haubenverschluss schien kaum geeignet, die ausladenden Kotflügel auf Dauer zusammen zu halten. Eine Versteifung musste her, die aber optisch nicht in Erscheinung treten sollte. So entstand ein neuer Querträger:

Vorne Schablonen von beiden Abdeckblechen, die im Original zwischen Kotflügel und Stoßstange verschraubt werden, dahinter ein nach dieser Vorgabe angefertigter Querträger, dessen Mittelteil sich hinter dem Nummernschild versteckt.

Dieser Querträger wurde über die gesamte Fahrzeugbreite hinweg fest mit den Kotflügeln verschweißt. Er nahm nun alle Kräfte auf und machte sogar den fehlenden Steg überflüssig. Allerdings wurde schon aus optischen Gründen gleichwohl ein neuer angefertigt.

Die vorbehandelte Front nach Erledigung der Schweißarbeiten (bis auf das Loch im Lampentopf rechts)

Als Ende 1996 die Technik für die Verkehrstauglichkeit des Fahrzeugs hergestellt war, reifte der Wunsch nach einer Probefahrt. Auf den Tag genau 10 Jahre nach Beginn des Projekts, am 15. Februar 1997, ist es dann endlich soweit: alle Bedingungen der StVZO an die Verkehrssicherheit sind erfüllt, wenn teilweise auch nur provisorisch, und unser XK ist startklar:

Nach 10 Jahren am selben Ort zur gleichen Zeit:
Der ehemalige „Gartenschrott“ ist zum verkehrstauglicher „Oldtimer“ geworden!

Technische Überprüfung vor dem Start, hier der Lichttest (die goldenen Ovale unterhalb der Lampen beidseits des Nummernschildträgers sind die originalen Lucas-„Posthörner“!)

Auf eigener Achse zurück!
Die Probefahrt verlief zwar störungsfrei, war aber angesichts der vielen Provisorien doch ein wenig anstrengend.

Der Blech-Gesamtzustand am 15. Februar 1997: es fehlen noch einige Bodenteile hinter den provisorisch befestigten Sitzen und im Kofferraum sowie beide Türen nebst Verriegelungen (während der Fahrt waren Absperrketten eingehängt)

Das Notwendige war getan, die Punkte Funktion und Form im Wesentlichen erledigt,
offen nur noch das „Outfit“, die Farbe.

Nach der Pflicht kommt die Kür!

Welche Ausstrahlung soll unser XK erhalten? Was kommt uns entgegen, womit führen wir uns wohl?
Wollen wir einen eleganten Hochglanz-Klassiker für besondere Anlässe, ein museales Anschauungsobjekt zum Vorzeigen oder eher ein robustes Alltagsfahrzeug für den freizeitlichen Bedarf?

Wir haben uns für die letzte Variante entschieden und deshalb mit Moosgrün (RAL 6005) einen gedeckten Standard-Farbton in der Ausführung Seidenglanz gewählt, dazu Applikationen in Messing(farbe) sowie alle Holzteile in Mahagoni massiv.


Über die Jahrtausendwende hinweg bis in das Jahr 2012 kamen die Arbeiten nur schleppend voran. Die Ersatzteilsuche gestaltete sich schwierig, viele Kleinteile mussten von Hand gefertigt werden und es gab auch Rückschläge. Bei einer längeren Ausfahrt am 13. September 2003 scherte nach etwa 30 km die Kardanwelle vom Getriebeflansch ab und zerschlug den Getriebedeckel nebst Schaltgestänge und Teile des Innenraums. Die Schäden waren erst 2010 wieder beseitigt.

Danach ging es an die Konservierung der Karosseriebleche. Um drohende Substanzeinbußen durch lange Standzeiten zu vermeiden, wurde der ganze Wagen mit Rostschutz grundiert und moosgrün vorlackiert:

Das erste Teil war die Abdeckhaube des Getriebetunnels, hier bereits einbaufertig vorlackiert und von unten gedämmt.

Der Frontflügel links in rotbrauner Rostschutz-Grundierung, der Motorraum ist bereits vorlackiert.

Nach einem weiteren Arbeitsgang:

Der komplette Vorbau im farbfrischen Rostschutz-Finish mit vorlackierten Lampentöpfen
Die Front mit Detailansicht auf den montierten Haubenverschluss in der offenen Kühlermaske

Sodann werden die Einbauteile vorbereitet und nach der Vorlackierung montiert:

Der fertig konservierte Vorbau

Im Juli 2015 wurde unser XK 60 Jahre alt, was mit einer Ausfahrt gefeiert werden sollte. zu diesem Zweck bekam das noch unbehandelte Heck eine farbliche Anpassung, so dass äußerlich nur noch die provisorischen Türen und das nackte Verdeckgestänge den Gesamteindruck trübten:

Nach der gelungenen Ausfahrt wurde der Wagen rückwärts in die Werkstatt gefahren, damit nun das Heck in den offenen Arbeitsbereich gelangte und dort konserviert werden konnte:

Dem linken Radkasten wird nach der Grundierung ein Innenkotflügel angepasst, um ihn und insbesondere die unverkleidete B-Säule vor Korrosion zu schützen.

Die bereits im Jahr 1990 vom Weihnachtsgeld für 1.700 DM (!) zugekauften Kotflügel erhielten jeweils vorne Reparaturbleche und mussten an der Verschraubung ausgebessert werden.

Die rechte Seite der Heckpartie mit vorlackiertem Radkasten und grundiertem Kotflügel

Funktional zur Kabine, aber konstruktiv zum Heck gehört auch die Rücksitzbank, weil sie sowohl an der Lehne mit dem Hilfsrahmen des Hecks als auch an beiden Seiten mit den Innenteilen der Radkästen verschweißt wird. Dieses Bauteil fehlte gänzlich und war auch als Nachbau nicht mehr zu bekommen, so dass es freihändig angefertigt werden musste:

Die grundierte Rücksitzbank vor dem Einschweißen mit abgewinkelter Vorderkante, die am Bodenblech der Kabine verschraubt wird.

Hier die eingeschweißte und mit dem Bodenblech verschraubte Bank, bereits vorlackiert sowie mit Teppichboden beklebt.
Oberhalb der Bank die sog. „Golfschlägerklappe“, eine Durchreiche in den Kofferraum für längere Gepäckstücke.

Zur Konservierung der Karosserie fehlten jetzt „nur“ noch die beiden Türen der Kabine, die allerdings erst einmal hergerichtet werden mussten. Diese Arbeiten waren nicht grundlos immer wieder zurückgestellt worden. Die Türen sind noch in Vorkriegs-Bauweise konstruiert mit einem Rahmen aus (Eschen)-Holz, einer Beplankung aus Stahlblech und einer Innenverkleidung aus Aluminium. Das machte die Aufgabe ziemlich anspruchsvoll, zumal sich an vielen Stellen Restaurationsbedarf ergab.

Allerdings hatten die Holzrahmen nur wenig gelitten und die Jahrzehnte relativ schadlos überstanden. Sie waren bereits frühzeitig durch Siebdruckplatten ausgesteift worden und mussten nur ausgebessert werden. Nicht mehr zu gebrauchen waren jedoch die außen auf den Holzrahmen – in Fahrtrichtung gesehen – vorne (Scharnierseite) und hinten (Schlossseite) aufgeschraubten Eisenprofile, an denen die Türhäute aus Blech befestigt waren. Deren restliche Substanz reichte teilweise nicht einmal für die Anfertigung von Schablonen aus:

Nach alter Handwerkstechnik war die einteilige Türhaut durch Umbördelung ihrer Kanten auf diesen Profilen verspannt. Das ging nun nicht mehr, weil nur noch die Oberteile der Türhäute vorhanden waren und deshalb Reparaturbleche angeflickt werden mussten. Dadurch wurde die ehemals einheitliche Struktur der Gesamtfläche so gestört, dass keine gleichmäßige Verspannung möglich war.

Die komplette Türhaut:
oben der noch brauchbare Restbestand, gekürzt und entrostet; unten das Reparaturblech, mit einer Falz angeschlossen – eine Verbindungstechnik, welche die Steifigkeit erhöht.

Zunächst wurde das Ersatzblech auf die Profile geschweißt, dann folgte das Oberteil:

Nach Fertigstellung der Außenhaut wird die Tür ausgebaut, um ihre Unterseite und die Stirnseiten besser bearbeiten zu können:

Das fertige Werkstück von innen nach dem Einbau:

Im folgenden Jahr kam schließlich die Fahrertür an die Reihe. Es zeigte sich ein ähnliches Bild wie auf der rechten Seite. Auch hier wurden zunächst neue Eisenprofile auf den Holzrahmen geschraubt und im Sockelbereich ein Ersatzblech angeschweißt.

Nach dem Beplanken wurde auch auf dieser Seite die Tür ausgebaut, um sie besser weiter bearbeiten zu können. Das war eine gute Gelegenheit für Arbeiten an der A-Säule wie hier die Anbringung der Leiste für die Türdichtung.

Ende des Jahres 2019 war dann alles erledigt, die Karosserie stand!

Der rundum konservierte und vorlackierte XK in der Werkstatt (im Hintergrund unser Triumph GT 6 offen)

Die Karosseriearbeiten waren mit dem Anschluss der Fahrertür an die B-Säule abgeschlossen. Hier musste sich nun offenbaren, ob die „freihändige“ Einmessung des Fahrzeugaufbaus gelungen war: Was die Spaltmaße angeht, kann sich das Ergebnis sehen lassen, sie sind auf den Millimeter genau. Die B-Säule steht allerdings um 7 Millimeter zu weit nach innen; zwar unschön, jedoch ein Wert, der noch im damals üblichen Toleranzbereich liegt und sich unauffällig kaschieren ließ.


Die letzte Herausforderung an Blecharbeiten lag versteckt unter dem Kofferraum: der Kasten für das Reserverad. Die Räder des XK sind so groß wie die eines Klein-LKW, weshalb das Reserverad viel Platz braucht, der besonders in einem Sportwagen rar ist. Zudem muss es gut zugänglich sein, soll es möglichst geschützt gelagert werden und darf es den Fahrzeug-Gesamteindruck nicht stören.

Beim XK 140 löste William Lyons dieses Anforderungsprofil so auf, dass er den Kofferraumboden als Klappe konstruierte, die den Zugang zu einem „Keller“ unterhalb des Fahrzeugaufbaus eröffnet. Diese Idee ist auf Anhieb ansprechend, aber angesichts räumlicher Enge als kompletter Nachbau nicht leicht umzusetzen: es kommt auf Millimeter an!

Nebenstehend die platzierten Teile der Reserveradkiste, wie sie unter dem Kofferraumboden einzubauen sind: oben die Wandung vor dem Tank, links und rechts darunter die beiden Seitenteile, unten die Rückwand (alles aus Alu), in der Mitte der Kistenboden (Siebdruckplatte), direkt darüber die Anschlussdichtung der vorderen Wand zum Tank.

Das Reserverad in der Kiste!
Die Öffnung der Kiste muss breiter sein als das liegende Rad, darf aber nicht breiter sein als die Öffnung des Kofferraums, weil ansonsten die Klappe nicht aufgestellt werden könnte.